Intruder

Intruder
(恐怖雞 | hong kong 1997 | kan-cheung tsang | dvd: adrenafilm)

Die von den Behörden gesuchte Festlandchinesin Yieh Siu Yan ermordet eine Nutte, übernimmt ihre Identität und flieht nach Hong Kong. Dort trifft sie auf den Taxifahrer Chen Chi Min (Moses Chan), mit dem sie eine Nacht verbringt. Dann jedoch bricht sie ihm die Beine, fesselt ihn mit Klebeband an einen Tisch und lässt ihn dabei zu sehen, wie sie seine gesamte Familie um die Ecke bringt. Doch wozu das Ganze?

Intruder ist eine Milkyway-Produktion aus dem Jahre 1997, ein Jahr in dem die finanzielle Sicherheit der Produktionsfirma noch auf wackligen Beinen stand. Um so überraschender, dass gerade unter diesen Umständen der vorliegende Cat III-Thriller realisiert wurde. Dabei handelt es sich auch noch um das Regiedebüt Tsang Kan-Cheungs, der sonst hauptsächlich als Drehbuchautor (u. a. für Stephen Chow) tätig war und es bis heute ist. Kan-Cheung übertrifft hier in Sachen Düsterheit und Zynismus locker den ein Jahr später folgenden The Longest NiteIntruder ist nihilistisch, sadistisch und kompromisslos. Wu Chien-Lien spielt ihre Figur mit einer berechnenden Kaltblütigkeit, dass es einem Schauer über den Rücken treibt, vor allem, da wir bis zum letzten des Drittel absolut nichts über ihre Motive erfahren. Genau hier hebt sich der Film positiv ab, denn wo andere Thriller bereits früh einen Einblick in die Seele des Killers geben, wissen wir über Yieh Siu Yan überhaupt nichts. Als Zuschauer fühlt man sich daher so hilflos und gelähmt wie der an den Tisch gefesselte Moses Chan.

Die starke Charakterzeichnung hört hier nicht einfach auf. Obwohl der arme Taxifahrer eindeutig grausam gequält wird, können wir nicht wirklich Sympathie für ihn entwickeln; er hat seine Frau vertrieben, kümmert sich nicht um seine Tochter und hasst seine Mutter. Er weiß selbst, dass er ein Arschloch ist, ein Loser, der auch mit 30 Jahren nichts zustande gebracht hat. Erst als Yieh Siu Yan seine Angehörigen nach und nach ermordet, bereut er seine Fehler, sieht seinen Tod gar als verdient an. Aber Yieh Siu Yan tötet ihn nicht, die Spannung wird aufrecht erhalten. Im Verlauf des Films mischen sich immer neue Charaktere in das Geschehen ein, welche von Yieh Siu Yan beseitigt werden. Auch ihr kommen irgendwann moralische Bedenken, was sie aber nicht von ihren Taten abhält. Wenn am Ende ihre Motive endlich offengelegt werden, ist das Ganze nicht so recht glaubhaft – Der ganze Aufwand für das?, letztlich aber auch das eine ironische Note, vor allem im Hinblick auf das bitterböse Ende.

Technisch gibt es kaum etwas zu bemängeln: To-Stammkameramann Cheng Siu-Keung lässt das geringe Budget mit ausgeklügelten Kameraeinstellungen und einem ansehnlichen Spiel von Licht und Schatten schnell vergessen. Lediglich die Schnitte, insbesondere in den Gewaltszenen, sind oft sehr grobschlächtig. Auch Cacine Wongs quäkender Synthie-Score hätte nicht sein müssen; aber da war damals wohl einfach nicht mehr drin.

Im auf der DVD enthaltenen Textinterview sagt Kan-Cheung, Intruder sei zu einem gewissen Teil auch als politische Parabel zu verstehen. Für ihn ist der Film eine Reflexion seiner Unsicherheit und seines Misstrauens angesichts der Rückgabe Hong Kongs an China – das Tor war geöffnet für Millionen Festlandchinesen, die nun nach Hong Kong einreisen konnten. Millionen von Leuten, die man nicht kennt; Leute, die anders denken, kulturell völlig anders geprägt wurden und in anderen Lebensbedingungen aufwuchsen. Kan-Cheung war nur einer von vielen Einwohnern Hong Kongs, die so dachten.

Bis zum heutigen Tage sollte dieser Film seine einzige Regiearbeit bleiben. Intruder floppte gnadenlos an den Hong Konger Kinokassen – was von den Beteiligten auch genau so erwartet wurde. Dennoch produzierten To und Ka-fai seinen Film, einen der gemeinsten Thriller, den das HK-Kino jemals ausgespuckt hat. Qualität vor kommerziellem Potential – dieser Leitspruch hat sich bei Milkyway seit über 10 Jahren gehalten.

(Außer natürlich, man braucht mal wieder Kohle und haut schnell ‘ne Romcom raus, aber lasst mir mal meinen poetischen letzten Absatz. Sad )

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