Der Clan, der seine Feinde lebendig einmauert

Der Clan, der seine Feinde lebendig einmauert
(confessione di un commissario di polizia al procuratore della repubblica | italien 1971 | damiano damiani | dvd: koch media)

Der im Irrenhaus Einsitzende Lipuma wird mysteriöserweise freigelassen. Zwei Tage später stirbt er bei einer Schießerei im Anwesen des Unternehmers Lomunnos, ursprüngliches Ziel des Anschlags. Polizeikommissar Bonavia (Martin Balsam) untersucht den Fall. Dann schaltet sich auch der junge Staatsanwalt Traini (Franco Nero) ein, er glaubt fest an die Unfehlbarkeit der Justiz. Es stellt sich jedoch heraus, dass Bonavia in den Fall auf besondere Art verwickelt ist. Trainis Misstrauen wächst mit jedem Tag.

Damiano Damianis Der Clan… wirkt stellenweise wie eine weniger clevere – und weniger mutige – Version von Costa-Gavras’ Z, der zwei Jahre zuvor mit seiner pessimistischen und kompromisslosen Darstellung korrupter Machtstrukturen als besonderer Meilenstein in die Geschichte des politischen Films einging. Allein dieser Vergleich lässt den Clan nicht im schlechten Licht stehen. So gewann er doch im Jahr seiner Erscheinung den Hauptpreis des Moskauer Filmfestivals und wurde – nach Franco Neros Aussage – in mehr Länder verkauft als die Werke Leones und Fellinis es taten. Doch es bleibt ein wenig die Schwierigkeit, sich in die Situation der damaligen Zeit hineinzuversetzen, in denen diese Filme beim Publikum noch für weitaus größeren Aufruhr sorgten. Heutezutage ist das anders: Kritik an Regierung und Gesellschaft ist selbst in Hollywood-Blockbustern Gang und Gäbe, in manchen Fällen sogar zum selbstverständlichen Plotdevice geworden.

Dass sich hinter dem Clan dennoch ein durchaus lohnender Film verbirgt, ist vor allem in Damianis Herangehensweise zu begründen, die Kritiker als “kommerziell” oder “populistisch” abtun könnten: Die emotionale Konsequenz steht bei ihm an höchster Stelle. Der vergebliche Kampf gegen Korruption und Machtmissbrauch findet seinen Ausdruck in Bonavias verbittertem Gesicht, und am Ende auch in seinen Taten. Damiani schafft keine Distanz zum Geschehen, will auch nicht politische Komplexe in ihrer Gesamtheit ergründen. Er belegt exemplarisch am Einzelschicksal (siehe auch Töte Amigo) und bewegt den Zuschauer zum Mitleid – und damit zum Nachdenken. Den Vorwurf der Oberflächlichkeit und Vereinfachung kann man Damiani somit durchaus machen. Dass er jedoch gerade so ein größeres Publikum erreicht als mit akademischer Abstraktion, spricht unabhängig davon vor allem für seine Qualitäten als Filmemacher.

Weitere Erwähnung verdient der großartige Martin Balsam, Dreh- und Angelpunkt des Films. Wie er allein mit wenigen Gesten und seinen Gesichtsausdrücken eine derart humanistische Ausstrahlung verkörpert, ist absolut einmalig, sodass selbst Franco Neros übliches Charisma ein wenig untergeht. Und Riz Ortolanis einprägsames Titelthema tut sein Übriges, um die bedrückende Stimmung noch weiter zu steigern. Auch wenn am Clan, der seine Feinde lebendig einmauert eindeutig der Zahn der Zeit genagt hat – als filmhistorisches Dokument aus einer Zeit der Unruhe und des Umbruchs bleibt er auch heute noch höchst empfehlenswert.

Bonavia: Wo wohnen Sie?
Traini: Hier in der Nähe.
Bonavia: Passen sie auf, an einem der nächsten Tage könnte aus dem Hahn in ihrem Badezimmer Blut laufen. Oder sie bemerken eine defekte Stelle im Mauerwerk. Sie kratzen – und was kommt zum Vorschein: Ein Finger. Oder ein Auge.

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(Wer sich übrigens diesen bescheuerten dt. Titel ausgedacht hat, gehört in die selbe Zelle gesperrt, die bereits den Schöpfer von “zwei abgewichste Profis” beherbergt.)

Töte Amigo

Töte Amigo
(quien sabe? | italien 1966 | damiano damiani | dvd: koch media)

Das blutige Finale der Revolution lodert über Mexiko. “Im Namen des Vaters!” schreit El Santo (Klaus Kinski), der Heilige, und wirft eine entsicherte Handgranate in den Kasernenhof der Regierungstruppen, die gerade ihren Morgenappell abhalten. El Santo gehört zur Bande von El Chuncho (Gian Maria Volonté) und dem geheimnisvollen Amerikaner Bill (Lou Castel), genannt El Gringo. Gemeinsam stürmen sie das Fort, um Munition und Waffen zu erbeuten und diese an den Revolutionsgeneral Elías zu verkaufen.

Damiani hat hierzulande vielleicht den größten Bekanntheitsgrad durch die preisgekrönte Miniserie Allein gegen die Mafia erlangt. Wie andere Regisseure verließ er gegen Ende der Siebziger das sinkende Schiff der italienischen Filmindustrie, um sich dem Fernsehen zu widmen. Zuvor jedoch drehte er mehrere politisch ambitionierte Filme u.a. mit Franco Nero, die sich durch ihre Tiefe und beißende Kritik vom oberflächlichen italienischen Populärfilm abhebten. Zu diesem Ouevre gehört auch Töte Amigo, sein einziger ernste Beitrag im Genre des Italowesterns (vom lahmen Auftragsklamauk Nobody ist der Größte mal abgesehen). Wobei es sich hierbei allerdings um ein derartiges, Genregrenzen transzendierendes Meisterwerk handelt, dass es fast schon unfair wäre, Töte Amigo bloß als weiteren Italowestern einzustufen (und nach dem auf der DVD enthaltenen Interview würde Damiani mir da zustimmen).

Ganz offensichtlich wurde der Film mit einem weitaus größerem Budget realisiert, als es damals für ähnliche Werke üblich war (außer man heißt Leone), was zur Tragweite des Films passt. Denn: Töte Amigo ist bei weitem kein B-Movie, nichtmal ein Genrefilm, sondern eine tiefschwarze, scharfsinnige Reflexion über den Irrsinn blutiger Revolution und politischer Unterdrückung. Mit Sarkasmus und Tragik zeigt Damiani, wie ideologische Bestreben, der Kampf für Freiheit und Gerechtigkeit, zu bloßem Vorwänden zur Erfüllung von Gier und persönlichem Wohl verkommen. Das arme mexikanische Volk leidet am meisten, gerät es doch stets zwischen die Fronten der reaktionären Regierung und den verblendeten Revolutionären. Und obwohl Damianis Sympathien eindeutig bei den Revolutionären liegen, zweifelt er an ihren Methoden, durchschaut ihre adaptive Loyalität, welche sich immer dahin wendet, wo es das meiste Geld zu holen und die meisten Soldaten zu töten gibt. An niemandem wird ein gutes Haar gelassen; bloß der mysteriöse Bill – sein Charakter ein einziger Geniestreich – gibt weder seinem Freund El Chuncho noch dem Zuschauer einen Hinweis auf seine Motive. Erst beim großartigen Ende wird deutlich, was auch auf ohnehin alle zutrifft: Hier gibt es keine eindeutigen Seiten, kein Gut und Böse, nur unterschiedlich groß gefüllte Brieftaschen.

Zwischen Arroganz und Kühle spielt Lou Castel Bill, was allerdings oft so weit geht, dass El Chunchos “Freundschaft” mit ihm nicht wirklich nachvollzogen werden kann. Obwohl man meinen könnte, dass Gian Maria Volonté in allen Western, in denen er mitspielt, irgendwie immer derselbe Charakter ist, brilliert auch er durch seine durchdringende Intensität und Energie. Kinski bleibt auf eine Nebenrolle beschränkt, von der ich persönlich gerne mehr gesehen hätte, aber man kann halt nicht alles haben.

Mit seinen fantastischen Bildern, den abwechslungsreichen Sets und Locations, und vor allem dem hervorragenden Drehbuch lässt sich Töte Amigo ohne weiteres als ein Klassiker bezeichnen. Damianis Message wird stets eindringlich, nie plump vermittelt, und leider entbehrt diese auch heute nicht einer gewissen Relevanz. Spätere italienische Filme widmeten sich ebenfalls der mexikanischen Revolution – von denen höchstens Leones Todesmelodie die Klasse von Damianis Werk erreicht. Interessanterweise merkt man an dieser ungeschnittenen Version des Films immer am Wechsel zum englischen Ton, wo früher in der dt. Fassung die Schere angesetzt wurde – bei Passagen, die Damianis Aussage besonders herausstellen und im damaligen politischen Klima wohl als zu heikel angesehen wurden. Insgesamt sind das einige, für den Film immens wichtige Minuten.

Die neue DVD von Koch Media ist mehr als ordentlich. Auch das schmale, edle Digipak, dessen Cover minimalistisch und geschmackvoll gestaltet wurde macht Eindruck. Dazu kommen informative Interviews mit Damiano Damiani und Lou Castel, mehrere Trailer, eine Bildergallerie und ein direkt in die Innenseiten des Cases gedrucktes Essay von Wolfgang Luley. Das Ganze für nur €9,90. Toller Film, tolle DVD. Bitte kaufen.

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