Shomben Yokocho und Golden Gai

Tokyo ist eine uralte Stadt. Original “Edo” genannt, wurde Tokyo 1608 die Hauptstadt Japans und ist seitdem eine der größten und wichtigsten Städte der Welt. Leider ist wegen Kriegen, Erdbeben und einfach der japanischen Art, immer zu renovieren und weiterzubauen, vieles der Geschichte Tokyos nicht mehr zu sehen.

Doch in zwei kleine Vierteln Shinjukus kann man noch sehen, wie Tokyo direkt nach dem Krieg, eine Zeit von Chaos, Prostitution und Yakuza, aussah.

Mein erstes Ziel war Shomben Yokocho, aka Piss Alley, nicht weit vom Shinjuku Bahnhof. Shomben Yokocho ist einfach eine kleine Gasse zwischen zwei riesigen, “typischen Shinjuku” Gebäuden. Ich lief zwar schon 100 Male einfach vorbei, habe die Gasse aber nie bemerkt.

Ich habe irgendwo gelesen, dass Ridley Scott mal zu Shomben Yokocho ging, um Inspiration für Blade Runner zu kriegen. Das konnte ich sehr gut nachvollziehen. Über der Gasse, welche echt eng ist, gibt’s ein riesige Sammlung von Stromkabeln. Links und rechts gibt’s unzählige kleine Kneipen und Restaurants. 80 % sind im Freien mit Salarymen überfüllt. Ein paar junge Leute sind dort, aber offensichtlich gehört Shomben Yokocho einer älteren Generation.

Shomben Yokocho ist kein normales Touristenziel. Manche Besitzer sind misstrauisch gegenüber Gaijin. Als ich mich in irgendeiner Kneipe hinsetzte, meinte die Besitzerin böse, dass ich da nicht trinken konnte. Nach 3 Monate in Japan und sehr an die sonst übliche Höflichkeit gewöhnt, lief ich überrascht weiter.

2 Minuten weiter fand ich einen Platz irgendwo, der freundlicher war. Ich setzte mich auf eine Bank neben zwei Salarymen und fing an, mein Bier zu trinken und Nudeln zu essen. Der Typ neben mir fragte auf gebrochenem Englisch, woher ich kam und ich antworte auf gebrochenem Japanisch. Wir fingen an zu reden und kamen irgendwann zum Thema 70er Filme.

“Kennen Sie American Graffiti?”, meinte er.

“Natürlich! Einer meiner Lieblingsfilme!”, antworte ich.

Wir besprachen die frühen Filme Francis Ford Coppolas, George Lucas und Alan Pakulas. Egal ob unterschiedliches Alter, Herkunft oder Kultur, bei alten Filmen waren wir uns einig. Froh im Herzen lief ich weiter zu meinem nächste Ziel: Golden Gai.

Knapp 10 Minuten weit von Shomben Yokocho, liegt Golden Gai neben Kabuki-cho, Shinjukus Rotlicht-Viertel. Golden Gai hat nichts mit Rotlicht zu tun, obwohl es genauso heruntergekommen aussieht. Früher war Golden Gai eigentlich voller Prostitution, bevor es in 1958 verboten wurde. Seitdem ist es voller Kneipen – vermutlich über 200. Diese sind so klein, dass, wenn man eine “große” erwischt, dennoch nur knapp 10 Leute reinpassen. Im Gegensatz zum Rest Tokyos sind Golden Gais Gebäude nur 2 Stockwerke hoch – noch ein kleines Überbleibsel des alten Tokyo.

Wie Shomben Yokocho ist Golden Gai nicht besonders gaijinfreundlich. In der Tat muss man eine Einladung haben, manche Golden Gais Kneipen zu besuchen, selbst wenn man Japaner ist. Ich fand endlich eine mit einem Schild auf dem stand: “I love English and I love you.” Perfekt.

Die Kneipe war natürlich total eng und voller Rauch. Ein Jim Jarmusch Film lief im Fernseher. Ich setzte mich neben einen Nordländer und einen Japaner, der vermutlich ein Freund des Besitzers war. Als ich meinte, dass ich aus Denver stammte, rief er den Besitzer.

“Yamashita! Der kommt aus Denver!”

Der Yamashita, wie es sich herausstellte, machte seinen Bachelor in Denver. Wieder war ich voll überrascht und froh, so eine Bekanntschaft in Japan zu machen. 13.000 Kilometern von meiner Heimat entfernt, in einer Kneipe, die aus Blade Runner stammen könnte, sprachen wir über Themen wie Denvers Football-Mannschaft.

Irgendwann fuhr ich nach Hause. Wieder eine krasse Nacht in Tokyo hinter mir.

RAW Rock-Kneipe München

Name: RAW
Straße: Schleißheimer Straße 28, 80333 München
Anreise: U1 Stiglmaierplatz oder U2 Theresienstraße (ca. 10 Minuten zu Fuß)
Preislich: Günstig – Mittel
Sitzplätze: für ca. 35 Personen (geschätzt)
Rauchen: Nur vor der Tür

München hat eine kleine aber feine Auswahl an Szenelokalen für Liebhaber der härteren Musik-Gangart, sprich von Metal über Punk-Rock bis hin zu Hardcore. Bereits etablierte Locations wie das Abseits (Marktstraße 3), Tumult (Blütenstraße 4) oder das Flex (Ringseisstraße 7) halten sich schon lange, doch leider sind mit der Zeit auch einige geschlossen worden (z.B. Kings’n'Queens in der Reisinger Straße) und wenig Nachschub kam nach.  Gerade in solchen Zeiten ist es erfrischend, mal wieder eine neue Kneipe dieser Art in München zu sehen.

Im “RAW” spielt laut Betreiber Marvin Ullmann “Rock, von Cash bis Pantera” (Zitat aus der Süddeutschen) und spezialisiert sich daher nicht wie beispielsweise das Abseits auf Metalheads. Das scheint mal eine recht gute Alternative zu sein, nachdem das Abseits sich selbst ins – Achtung Wortspiel – mit dem eigenen Publikum ins Abseits gestellt hat.

Wenige Schritte vor der Kneipe sieht man an der Bande auch schon, dass Tegernseer (gut) und Schneider Weiße (weniger gut) ausgeschenkt wird. Eine kleine Überraschung, herrscht doch bei den meisten nicht-08/15 Kniepen fast schon eine Augustiner-Pflicht. Mit dem Hellen vom Brauhaus Tegernsee (vom Fass) hat man aber die – meiner Meinung nach – beste Alternative zur Hand, vorallem da das Augustiner nach jahrelangen Konsum irgendwann einfach fad wird.

Dennoch ist das Angebot ein wenig eingeschränkt. Zwar ist noch das Pilsener Urquell auf der Liste, gefolgt von vielen Softgetränken, Wein, Härteren (Jägermister, Averna, Ramazzotti, Grappa, Tequila, Absolut Wodka, Jack Daniels, Jim Beam und Woodford Reserve) und Longdrinks, das wars aber fast schon. Desperados oder Cider findet man hier nicht, auch keine dunklen Biere. Der (im übrigen sehr nette) Barkeeper meinte aber umgehend, dass das aber noch auf die Liste kommen könnte.

Die Preise sind – nicht nur für Münchner Verhältnisse – sehr human, auch wenn einige nicht angepasst scheinen (0,20ml Tonic Water kosten mehr als die gleiche Menge Tequila). Doch das ist egal, denn 2,90 Euro für ein Tegernseer vom Fass oder 2,40 Euro für 2cl Tequila sind ein echt sehr gutes Angebot!

Was leider auch ein bisschen nach Sonderpreis aussieht, ist die Innenausstattung. Zwar ist das RAW noch sehr jung, aber dennoch wirkt es sehr steril. Außer einigen Versuchen wie ein TV mit Metal-Dokumentationen, Totenköpfen am Bierhahn, Gitarren an den Wänden oder Instrumentenboxen als (zu niedrige) Tische will da nicht wirklich eine Rock-Stimmung auftreten. Die Sitze im hinteren Teil der Location, die links über die Bar zu erreichen ist, ist zum gemütlichen Sitzen nicht wirklich geeignet. Die Sitzlehnen gehen viel zu weit hinter, das Material nicht griffig, die Tische sind zu tief und ein freistehendes Eck am hinteren Ende macht es unmöglich, dass sich trotz zusätzlicher Hocker mehr als 10 Personen dort versammeln können. Im Vorderteil sind vor den Fenstern nur 2 Sitzmöglichkeiten mit den gleichen weit entfernten Lehnen zu finden, daneben noch Barhocker – na klar – aber das wars dann auch schon wieder. Dafür ist die Toilette aber tip-top und sauber.

Kommen wir dann noch zu einer Variablen, die sich natürlich über den Lauf der Zeit ändern kann: Das Publikum. Als wir anwesend waren, sahen wir 2 Hardcore-Guys am Tresen und im Hinteren Teil eine Art After-Work-Meeting von ca. 45jährigen Non-Metal-Leute in Hemden. Und das sollte sich auch länger nicht ändern. Über ein paar Stunden kamen eher ältere Leute hin, die bei weiterem nicht wie Szene-Kenner aussehen. Natürlich muss man das auch nicht sein, bitte dies nicht falsch verstehen. Aber ein bisschen deplatziert fühlten wir uns in dieser Situation schon. Auch die Gespräche am Nachbartisch waren eher über Rolex-Uhren und das letzte Business Meeting als über Sex, Drugs and Rock’n'Roll.

Fazit:
Zugegeben, das RAW wirkt steril und auch die alkohlische Palette muss ein bisschen erweitert werden. Im Publikum sind keine Spacken wie in anderen Locations anzufinden, dafür sollte man aber auch keine szenenahe Besucher erwarten. Die Barkeeper sind sehr freundlich und nett. Musikalisch geht es mal sanft, mal härter rauf und runter, aber auch “nur” mit bekannteren Acts wie System of a Down oder AC/DC. Hardcore, Black-, Thrash- oder Death-Metal wird (wurde) nicht gespielt. Aber das RAW zeigt preislich wo es langgeht. 2,90 Euro das Helle (Tegernseer vom Fass) oder 2,40 Euro für 2cl Tequila ist für Münchner Standards wirklich günstig und deswegen einen Besuch auf jeden Fall wert.