Töte Amigo

Töte Amigo
(quien sabe? | italien 1966 | damiano damiani | dvd: koch media)

Das blutige Finale der Revolution lodert über Mexiko. “Im Namen des Vaters!” schreit El Santo (Klaus Kinski), der Heilige, und wirft eine entsicherte Handgranate in den Kasernenhof der Regierungstruppen, die gerade ihren Morgenappell abhalten. El Santo gehört zur Bande von El Chuncho (Gian Maria Volonté) und dem geheimnisvollen Amerikaner Bill (Lou Castel), genannt El Gringo. Gemeinsam stürmen sie das Fort, um Munition und Waffen zu erbeuten und diese an den Revolutionsgeneral Elías zu verkaufen.

Damiani hat hierzulande vielleicht den größten Bekanntheitsgrad durch die preisgekrönte Miniserie Allein gegen die Mafia erlangt. Wie andere Regisseure verließ er gegen Ende der Siebziger das sinkende Schiff der italienischen Filmindustrie, um sich dem Fernsehen zu widmen. Zuvor jedoch drehte er mehrere politisch ambitionierte Filme u.a. mit Franco Nero, die sich durch ihre Tiefe und beißende Kritik vom oberflächlichen italienischen Populärfilm abhebten. Zu diesem Ouevre gehört auch Töte Amigo, sein einziger ernste Beitrag im Genre des Italowesterns (vom lahmen Auftragsklamauk Nobody ist der Größte mal abgesehen). Wobei es sich hierbei allerdings um ein derartiges, Genregrenzen transzendierendes Meisterwerk handelt, dass es fast schon unfair wäre, Töte Amigo bloß als weiteren Italowestern einzustufen (und nach dem auf der DVD enthaltenen Interview würde Damiani mir da zustimmen).

Ganz offensichtlich wurde der Film mit einem weitaus größerem Budget realisiert, als es damals für ähnliche Werke üblich war (außer man heißt Leone), was zur Tragweite des Films passt. Denn: Töte Amigo ist bei weitem kein B-Movie, nichtmal ein Genrefilm, sondern eine tiefschwarze, scharfsinnige Reflexion über den Irrsinn blutiger Revolution und politischer Unterdrückung. Mit Sarkasmus und Tragik zeigt Damiani, wie ideologische Bestreben, der Kampf für Freiheit und Gerechtigkeit, zu bloßem Vorwänden zur Erfüllung von Gier und persönlichem Wohl verkommen. Das arme mexikanische Volk leidet am meisten, gerät es doch stets zwischen die Fronten der reaktionären Regierung und den verblendeten Revolutionären. Und obwohl Damianis Sympathien eindeutig bei den Revolutionären liegen, zweifelt er an ihren Methoden, durchschaut ihre adaptive Loyalität, welche sich immer dahin wendet, wo es das meiste Geld zu holen und die meisten Soldaten zu töten gibt. An niemandem wird ein gutes Haar gelassen; bloß der mysteriöse Bill – sein Charakter ein einziger Geniestreich – gibt weder seinem Freund El Chuncho noch dem Zuschauer einen Hinweis auf seine Motive. Erst beim großartigen Ende wird deutlich, was auch auf ohnehin alle zutrifft: Hier gibt es keine eindeutigen Seiten, kein Gut und Böse, nur unterschiedlich groß gefüllte Brieftaschen.

Zwischen Arroganz und Kühle spielt Lou Castel Bill, was allerdings oft so weit geht, dass El Chunchos “Freundschaft” mit ihm nicht wirklich nachvollzogen werden kann. Obwohl man meinen könnte, dass Gian Maria Volonté in allen Western, in denen er mitspielt, irgendwie immer derselbe Charakter ist, brilliert auch er durch seine durchdringende Intensität und Energie. Kinski bleibt auf eine Nebenrolle beschränkt, von der ich persönlich gerne mehr gesehen hätte, aber man kann halt nicht alles haben.

Mit seinen fantastischen Bildern, den abwechslungsreichen Sets und Locations, und vor allem dem hervorragenden Drehbuch lässt sich Töte Amigo ohne weiteres als ein Klassiker bezeichnen. Damianis Message wird stets eindringlich, nie plump vermittelt, und leider entbehrt diese auch heute nicht einer gewissen Relevanz. Spätere italienische Filme widmeten sich ebenfalls der mexikanischen Revolution – von denen höchstens Leones Todesmelodie die Klasse von Damianis Werk erreicht. Interessanterweise merkt man an dieser ungeschnittenen Version des Films immer am Wechsel zum englischen Ton, wo früher in der dt. Fassung die Schere angesetzt wurde – bei Passagen, die Damianis Aussage besonders herausstellen und im damaligen politischen Klima wohl als zu heikel angesehen wurden. Insgesamt sind das einige, für den Film immens wichtige Minuten.

Die neue DVD von Koch Media ist mehr als ordentlich. Auch das schmale, edle Digipak, dessen Cover minimalistisch und geschmackvoll gestaltet wurde macht Eindruck. Dazu kommen informative Interviews mit Damiano Damiani und Lou Castel, mehrere Trailer, eine Bildergallerie und ein direkt in die Innenseiten des Cases gedrucktes Essay von Wolfgang Luley. Das Ganze für nur €9,90. Toller Film, tolle DVD. Bitte kaufen.

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Glory Days 2 – Brotherhood Of Men

Glory Days 2: Brotherhood of Men
nintendo ds | odenis/ghostlight 2007

Das kleine Entwicklungsstudio Odenis machte bereits auf dem GBA mit dem Vorgänger zu Glory Days 2 auf sich aufmerksam. Ihr ambitioniertes Spielkonzept fand leider wenig Erfolg, in sowohl kommerzieller wie auch kritischer Hinsicht. Dabei ist es eigentlich ein ungemein vielversprechendes – und tatsächlich haben die Franzosen es hier zu einem beachtlichen Grad verfeinert, sodass dem man ihr neustes Spiel zu einem der einzigartigsten und interessantesten auf dem Nintendo DS erklären kann.
Mal so einfach erklärt wie möglich: Es handelt sich um ein Melange aus Action- und Strategieaspekt. Wer noch Spiele wie Wings of Fury und Rescue Raiders kennt, kann sich wohlmöglich schon jetzt ein Bild davon machen, wie das Gameplay hier funktioniert. Auf einem in der Seitenansicht dargestellten Schlachtfeld übernimmt man die Kontrolle über einen Kampfjet oder Helikopter, prescht der gegnerischen Armee entgegen – wobei man selbst natürlich ebenfalls eine im Rücken hat – und begibt sich an die Vernichtung sämtlicher Infanteristen, Panzer und Fluggeräte. Unterschiedlichste Waffen stehen zur Auswahl, vom Maschinengewehr bis zur Bombe.


(Glory Days 2 ist sicherlich kein Pixelmeisterwerk, aber unzählige Parallaxebenen, Wettereffekte und andere Details sorgen vor allem in Bewegung für ein beeindruckendes Erlebnis.)

Wer sich allerdings nur darauf konzentriert wird schnell merken, dass er so keinen Krieg gewinnen kann. Neben all den hektischen Feuergefechten gilt es nämlich zu dem noch, seine Truppen auf dem Boden zu managen. Die eigentlichen Schlüsselpositionen, die bei Glory Days 2 über Sieg und Niederlage entscheiden sind die Kontrollpunkte, kleine Häuschen, die nur von Infanteristen erobert werden können. Klingt kompliziert, doch die theoretisch zu erwartende Micromanagement-Hölle ist glücklicherweise sehr durchdacht und simpel implementiert. Mit einem einfachen Druck auf R wird das Baumenü aufgerufen, hier können Soldaten, Panzer und andere Einheiten ausgebildet werden. Die “Währung” im Spiel sind dabei irgendwo auf dem Schlachtfeld herumlaufende Zivilisten. Spielt man als Helikopterpilot, kann man diese rasch einsammeln und zum Hauptquartier bringen. Wer im Kampfjet sitzt, bekommt diese Aufgabe von der AI abgenommen.

So stellt sich in einer typischen Glory Days 2-Schlacht das vertraute “Ebb and Flow” eines Strategiespiels ein. Mit einer ordentlichen Portion zusätzlicher Hektik. Dass bei sovielen Aufgaben Chaos vorprogrammiert ist, dürfte klar sein. Verstärkt wird das noch durch die enorme Geschwindigkeit und sehr nahe Kameraperspektive, wodurch es einiger Übung bedarf, bis man die Bomben gezielt über den Kontrollpunkten abwirft, oder feindliche Helikopter erledigt. Ja, das ist schon am Anfang nicht leicht – und an späteren Missionen werden sich auch die geduldigsten Spieler die Zähne ausbeißen. An dem Konzept ließe sich sicherlich noch weiter Feilen, es fehlt tatsächliche Balance, die AI der inviduellen Einheiten ist so gut wie zu vernachlässigen.

Und doch: Wenn Glory Days 2 funktioniert, dann äußerst gut. Es ist eines dieser wenigen Spiele, die zahllose kleine, unvergessliche Momente feilbieten können: Wenn man im Jet über das Schlachtfeld düst, die grandiose, majestätische Musik im Hintergrund, jeden feindlichen Treffer in Kauf nimmt, um am anderen Ende des Feldes noch eine Bombe zu platzieren, schwer angeschlagen zurückfliegt und aufatmend auf der Landebahn aufsetzt – da vergisst man für einige Sekunden, dass sich das alles auf diesem kleinen Handheld abspielt und nicht auf dem heimischen HDTV. Hier hat man sich seinen Sieg zu erkämpfen. Das kann mal langweilig sein, mal scheinbar unmöglich und oft unendlich frustrierend – dafür ist am Ende die Genugtuung um so größer.


(Storyelemente gibt’s auch. Die eher lame sind. Aber die Zwischenscreens sind nett aufgemacht.)

Wenn man bedenkt, unter welchen Umständen Glory Days 2 entstanden ist – und es hätte bei soviel Ambition auch fürchterlich in die Hose gehen können – bleibt fast nichts anderes übrig, als trotz all der Mängel Respekt zu zollen. Gepaart mit einem größeren Budget und etwas mehr Zeit für die Ausbüglung der kleinen Ecken und Kanten, bin ich mir sicher, dass ein etwaiger Nachfolger locker Chancen hätte, sich zu den DS-Spitzenspielen zu gesellen. Das Ganze ließe sich ja z.B. wunderbar als Advance Wars-Spinoff vermarkten. Ich für meinen Teil hoffe, nochmal von Odenis zu hören.

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Abschied in der Nacht / Das alte Gewehr

Abschied in der Nacht / Das alte Gewehr
(le vieux fusil | frankreich 1975 | robert enrico | dvd: new entertainment world)

Frankreich 1944. Die Deutschen müssen immer mehr Angriffe von Partisanen über sich ergehen lassen. Sie rächen sich an der französischen Zivilbevölkerung. Arzt Julien (Philippe Noiret) will seine Familie aus den Wirren des Krieges heraushalten und versteckt seine Frau (Romy Schneider) und Tochter auf einem Landgut. Als er sie Tage später besuchen will, sind alle tot. Die Frau vergewaltigt und verbrannt, die Tochter erschossen. Statt vor den Deutschen zu fliehen, beginnt Julien einen bitteren Rachefeldzug.

Von den Geschwadern selbsternannter “Antikriegsfilme”, die sich über die letzten paar Jahrzehnte angesammelt haben, können nur die wenigsten von sich behaupten, auf das zivile Schicksal einzugehen. Robert Enricos preisgekröntes Drama Abschied in der Nacht ist eine der Ausnahmen; gleichzeitig bleibt der Krieg selbst hier nicht mehr als finsterer Schatten am Horizont, welcher plötzlich hervorstößt, Zerstörung und Leid hinterlässt, und sich dann wieder zurückzieht. Ein Rahmen, der letztlich austauschbar ist und lediglich die Taten Juliens in einen nachvollziehbaren Kontext setzt. Juliens Rache ist nicht die Rache eines Wahnsinnigen, nichtmal die Rache eines Trauernden, sondern die eines Mannes, dem in einem Moment alles gleichgültig geworden ist. Mit kaltblütiger, methodischer Präzision schneidet er den Deutschen den Fluchtweg ab, tötet sie einen nach dem anderen. Sein eigenes Wohlergehen spielt dabei keine Rolle mehr. Enrico stellt beinahe jeder Mordszene ein Flashback gegenüber, in dem sich Julien an seine Familie erinnert. Aus heutiger Sicht könnte man das für eine billige Methode zum emotionalen Spannungsaufbau halten. Doch vielmehr nutzt Enrico die Flashbacks zur Vertiefung der Beziehung zwischen Julien und seiner Frau – die gar nicht so simpel ist, wie man es vielleicht annehmen könnte.

Noirets schauspielerische Leistung in Abschied in der Nacht wird nicht zu unrecht bis heute vom französischen Kinopublikum als legendär angesehen. Er ist kein strahlender, schöner Held. Er könnte mein Nachbar sein. Zu keinem Zeitpunkt lässt sich Noiret dazu verleiten, der in seinem Charakter aufgestauten Wut und Trauer durch theatralische Gestik Luft zu machen. Romy Schneider kann angesichts derartiger Leinwandpräsenz nicht mehr sein als hübsches Beiwerk. Die deutschen Soldaten bewegen sich dafür oft an der Grenze zur Karikaturisierung, vielleicht gerade deswegen, weil Enrico sie (mit dem wohlmeinenden Anspruch auf Authentizität) mit deutschsprachigen Schauspielern besetzte – so zumindest mein Eindruck. Da ich aber im zweiten Weltkrieg leider nicht dabei war, kann ich nicht genau sagen, inwiefern ihre Darstellung der Realität entspricht.

Mal davon abgesehen ist Abschied in der Nacht einer der eindringlichsten und berührendsten Rachefilme, die ich je gesehen habe, mit einem großartigen Philippe Noiret und wunderschöner Musik. Aber Vorsicht: Stellt euch nach dem Schauen darauf ein, den Rest des Tages deprimiert zu sein.

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Come Drink With Me

Come Drink With Me
(大醉俠 | hong kong 1966 | king hu | dvd: – )

Eine Bande von Dieben entführt den Sohn des Königs. Sie wollen, dass ihr Anführer aus dem Gefängnis befreit wird, sonst werden sie ihre Geisel töten. Doch diese ist zufällig auch der Bruder des legendären Kämpfers Golden Swallow (Cheng Pei-Pei). Er aka sie macht sich auf, die Bande zu zerschlagen, bekommt dabei aber unerwartet Hilfe von einem zunächst unscheinbaren betrunkenen Penner.

Nachdem sich meine Erfahrungen mit dem Wuxia-Genre bisher auf den beschissenen Hero beschränkt haben, und dieser mir auch sämtliches Verlangen nach mehr Filmen dieser Art raubte, wollte ich es nocheinmal versuchen, nachdem ich Ausschnitte aus Come Drink With Me in der bereits von elend reviewten Doku A Century Of Light & Shadow sah.

Und tatsächlich hat mir der Film gefallen. Generell wird er als Wuxia-Pionierfilm angesehen, jedoch noch (fast) ohne übertriebene übernatürliche Elemente wie fliegende Kämpfer. Es machen sich auch bereits erste Züge der typisch Hong Konger Actionchoreographie bemerkbar – überhaupt ist der Film wahnsinnig elegant verfilmt, die edlen Shaw Brothers-Sets tun ihr übriges, um dem Film einen unheimlich poetischen und anmutigen Charakter zu verleihen. Man fühlt sich wirklich von einer gewissen Magie umgeben, etwa wie bei Star Wars. Ist schwer zu beschreiben. Was mir von der technischen Seite nicht so gefiel, waren die in den Actionsequenzen recht häufigen, richtig sprunghaften Schnitte. Irgendwie billig, aber wir müssen bedenken, in welchem Jahr wir uns hier befinden. Da es sich bei King Hus Film um einen der ersten Vertreter seiner Art handelt, ist er auch einer der Ursprünge sämtlicher Wuxia-Klischees, mit denen auch Nicht-Filmbewanderte heute China assoziieren. Das lässt sich je nach Standpunkt positiv oder negativ betrachten. Auch Aspekte wie Gesangseinlagen, offensichtlich Überbleibsel aus dem Opernfilm, sind für Unbekundete zunächst ziemlich ungewöhnlich. Come Drink With Me besitzt desweiteren einen majestätischen Soundtrack, der aber teilweise völlig fehlplatziert wirkt. Was er wahrscheinlich nur aus meinen westlichen Augen ist.

Ansonsten aber machte der Film Spaß. Cheng Pei-Pei ist sowohl schön als auch graziös und führt durch die unterhaltsame, flott erzählte Story. Wenn im letzten Drittel der Penner stärker auf den Plan tritt, wird allerdings ein neuer Handlungsstrang aufgebaut, der meiner Meinung nach die Dinge unnötig verkompliziert und zu einer Endsequenz führt, die ich gar nicht mehr raffte.

Come Drink With Me hat mir zumindest gezeigt, dass ich dem Wuxia-Genre nicht völlig abgeneigt bin, und ich werde mir definitiv noch andere Klassiker aussuchen und antun. Solange sie nicht von Zhang Yimou sind. Hihi.

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Maniac Cop

Maniac Cop
(maniac cop | usa 1988 | william lustig | dvd: optimum home)

New York. Ein riesiger Kerl verkleidet sich als Polizist und ermordet wahllos Zivilisten. Die Stadt ist in Aufruhr. Doch könnte es sich wirklich um einen Cop handeln? Jack (Bruce Campbell) gerät unter Verdacht. Er versucht den wahren Täter zu finden.

Trashige Slasherklamotte produziert von Hollywoodlegende Larry Cohen, die selbst 1988 zirka 10 Jahre zu spät kam, um noch irgendeinen bleibenden Eindruck zu hinterlassen, jedoch immerhin von William Lustig (mittlerweile Geschäftsführer vom Kult-DVD-Label Blue Underground) angenehm zügig und sauber inszeniert wurde. Dass sich allerdings um den Film so eine Fangemeinde gebildet hat, ist mir nicht ganz verständlich. Insgesamt handelt es sich zwar um akzeptable Unterhaltung, der Maniac Cop an sich bleibt aber als Bösewicht zu blass und unscheinbar, um Freddy Krüger und Jason Vorhees Konkurrenz machen zu können. Auch Bruce Campbell versprüht noch lange nicht das Charisma, welches ihn später in Filmen wie Army Of Darkness und Bubba Ho-Tep zur Ikone machen wird und ist hauptsächlich damit beschäftigt, in den meisten Szenen hilflos umherzublicken.

Schade, dass der eigentlich gar nicht mal so simple Plot nicht weiter ausgebaut wurde. Denn Matt Cordell (gespielt von Robert Z’Dar), obwohl als Terror-Bulle ziemlich furchteinflößend, ist eigentlich gar keine von Grund auf böse Figur. Sein persönlicher Konflikt wird nur oberflächlich angeschnitten; eindeutig eine verpasste Chance.

Fazit: Grundsolider Durchschnitt, zusätzliche Sympathiepunkte angesichts der Beteiligten.

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Intruder

Intruder
(恐怖雞 | hong kong 1997 | kan-cheung tsang | dvd: adrenafilm)

Die von den Behörden gesuchte Festlandchinesin Yieh Siu Yan ermordet eine Nutte, übernimmt ihre Identität und flieht nach Hong Kong. Dort trifft sie auf den Taxifahrer Chen Chi Min (Moses Chan), mit dem sie eine Nacht verbringt. Dann jedoch bricht sie ihm die Beine, fesselt ihn mit Klebeband an einen Tisch und lässt ihn dabei zu sehen, wie sie seine gesamte Familie um die Ecke bringt. Doch wozu das Ganze?

Intruder ist eine Milkyway-Produktion aus dem Jahre 1997, ein Jahr in dem die finanzielle Sicherheit der Produktionsfirma noch auf wackligen Beinen stand. Um so überraschender, dass gerade unter diesen Umständen der vorliegende Cat III-Thriller realisiert wurde. Dabei handelt es sich auch noch um das Regiedebüt Tsang Kan-Cheungs, der sonst hauptsächlich als Drehbuchautor (u. a. für Stephen Chow) tätig war und es bis heute ist. Kan-Cheung übertrifft hier in Sachen Düsterheit und Zynismus locker den ein Jahr später folgenden The Longest NiteIntruder ist nihilistisch, sadistisch und kompromisslos. Wu Chien-Lien spielt ihre Figur mit einer berechnenden Kaltblütigkeit, dass es einem Schauer über den Rücken treibt, vor allem, da wir bis zum letzten des Drittel absolut nichts über ihre Motive erfahren. Genau hier hebt sich der Film positiv ab, denn wo andere Thriller bereits früh einen Einblick in die Seele des Killers geben, wissen wir über Yieh Siu Yan überhaupt nichts. Als Zuschauer fühlt man sich daher so hilflos und gelähmt wie der an den Tisch gefesselte Moses Chan.

Die starke Charakterzeichnung hört hier nicht einfach auf. Obwohl der arme Taxifahrer eindeutig grausam gequält wird, können wir nicht wirklich Sympathie für ihn entwickeln; er hat seine Frau vertrieben, kümmert sich nicht um seine Tochter und hasst seine Mutter. Er weiß selbst, dass er ein Arschloch ist, ein Loser, der auch mit 30 Jahren nichts zustande gebracht hat. Erst als Yieh Siu Yan seine Angehörigen nach und nach ermordet, bereut er seine Fehler, sieht seinen Tod gar als verdient an. Aber Yieh Siu Yan tötet ihn nicht, die Spannung wird aufrecht erhalten. Im Verlauf des Films mischen sich immer neue Charaktere in das Geschehen ein, welche von Yieh Siu Yan beseitigt werden. Auch ihr kommen irgendwann moralische Bedenken, was sie aber nicht von ihren Taten abhält. Wenn am Ende ihre Motive endlich offengelegt werden, ist das Ganze nicht so recht glaubhaft – Der ganze Aufwand für das?, letztlich aber auch das eine ironische Note, vor allem im Hinblick auf das bitterböse Ende.

Technisch gibt es kaum etwas zu bemängeln: To-Stammkameramann Cheng Siu-Keung lässt das geringe Budget mit ausgeklügelten Kameraeinstellungen und einem ansehnlichen Spiel von Licht und Schatten schnell vergessen. Lediglich die Schnitte, insbesondere in den Gewaltszenen, sind oft sehr grobschlächtig. Auch Cacine Wongs quäkender Synthie-Score hätte nicht sein müssen; aber da war damals wohl einfach nicht mehr drin.

Im auf der DVD enthaltenen Textinterview sagt Kan-Cheung, Intruder sei zu einem gewissen Teil auch als politische Parabel zu verstehen. Für ihn ist der Film eine Reflexion seiner Unsicherheit und seines Misstrauens angesichts der Rückgabe Hong Kongs an China – das Tor war geöffnet für Millionen Festlandchinesen, die nun nach Hong Kong einreisen konnten. Millionen von Leuten, die man nicht kennt; Leute, die anders denken, kulturell völlig anders geprägt wurden und in anderen Lebensbedingungen aufwuchsen. Kan-Cheung war nur einer von vielen Einwohnern Hong Kongs, die so dachten.

Bis zum heutigen Tage sollte dieser Film seine einzige Regiearbeit bleiben. Intruder floppte gnadenlos an den Hong Konger Kinokassen – was von den Beteiligten auch genau so erwartet wurde. Dennoch produzierten To und Ka-fai seinen Film, einen der gemeinsten Thriller, den das HK-Kino jemals ausgespuckt hat. Qualität vor kommerziellem Potential – dieser Leitspruch hat sich bei Milkyway seit über 10 Jahren gehalten.

(Außer natürlich, man braucht mal wieder Kohle und haut schnell ‘ne Romcom raus, aber lasst mir mal meinen poetischen letzten Absatz. Sad )

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Ebola Syndrome

Ebola Syndrome
(伊波拉病毒| hong kong 1996 | herman yau | dvd: diskotek media)

Nachdem Kai (Anthony Wong) in Hong Kong seinen Arbeitgeber samt Familie umbringt, flieht er nach Südafrika, wo er in einem kleinen Restaurant arbeitet. Bei einem Ausflug zum Stamm der Zulu, hier soll günstig ein Schwein gekauft werden, stellen er und sein Boss (Vincent Wan) fest, dass der halbe Stamm vom Ebola-Virus infiziert ist. Dennoch lässt Kai es sich nicht nehmen, auf der Rückfahrt eine sterbende Afrikanerin zu vergewaltigen. Er wird mit Ebola infiziert, ist jedoch einer der wenigen, die den Virus in sich tragen und verbreiten können, ohne selbst seinen Symptomen zu erliegen. Kai tötet also kurzerhand auch die südafrikanische Restaurantbelegschaft, die er natürlich vorher infiziert hat, und verarbeitet sie zu Hamburgern. Und das ist erst der Anfang.

Zusammen mit The Untold Story gilt Ebola Syndrome als einer der zwei abartigsten Filme, die jemals die Hong Konger Kinos beehrt haben. Ersterer führte zu einer kurzen Welle von Gore- und gewaltlastigen Cat III-Granaten, zu der Herman Yau mit diesem Film kurz zurückkehrte und die mit dem ’97er Handover wieder ihr Ende fand. Nachdem ich beide Werke nun in relativ kurzem Abstand gesehen habe, kann ich sagen: Ebola Syndrome ist der weitaus krankere Film. Selbst mir, als hartgesottenem Cat III- und Exploitationfan, fällt nichts anderes ein, als dieses Werk als gleichzeitig abscheulich, krank, bescheuert, lustig, hurengeil, und total abstoßend zu bezeichnen. Man fragt sich: Wer denkt sich sowas aus, und was ist da in der Kindheit schiefgelaufen? (Laut Aussage Herman Yaus im auf der DVD enthaltenen Interview entstammt die Idee ursprünglich Wong Jings Fantasie…wen wundert’s?). Es scheint, als hätten die Produzenten und Autoren Brainstormingkonferenzen abgehalten, in denen es galt, die perversesten Dinge zu finden, die man auf Film festhalten kann. Man sieht Kai, wie er in Fleichstücke wichst und diese später kocht, wie er den Kopf eines Mannes mittels einer Tür abtrennt, eine wild krampfende, sterbende Afrikanerin vergewaltigt, Huren mit Ebola infiziert, Männern Scheren in die Hoden rammt…


…und das ganze macht einfach einen
Heidenspaß. Nennt mich geschmacklos, aber spätestens, wenn Anthony Wong wie vom Teufel besessen durch Hong Kong rennt, ein halbtotes Kind auf dem Arm, wahllos Leute mit seinem Blut bespuckt und dabei “Let’s spread Ebola together!” schreit, konnte ich mir das Grinsen nicht mehr verkneifen.

Ebola Syndrome zu sehen ist wie sich selbst in die Eier zu schlagen, wenn man besoffen ist. Klar, dass hier niemand ernsthafte Absichten hatte, einen guten Film zu machen. Um so bemerkenswerter, dass trotzdem auch aus technischer Sicht ein grundsolides Resultat herausgekommen ist. Anthony Wong mimt psychopathisch, routiniert und ist einfach saugut, der Soundtrack überraschend atmosphärisch, zudem spielt die Hälfte des Films einfach in Südafrika. Dort findet Herman Yau sogar Zeit (und Budget) für einige schöne Naturaufnahmen inkl. einer ungemütlichen Begegnung mit einem Leoparden (?), und der Inszenierung eines abgefahrenen Stammesrituals. Die Goreeffekte sind auch heute noch mehr als respektabel einzustufen. Ja, Ebola Syndrome kann man vieles vorwerfen, nur eines nicht: Billig zu sein.


Großes Lob gilt auch der neuen DVD des Films, produziert vom kleinen amerikanischen Label Diskotek Media. Sie remasterten den Film und verpassten ihm einen fantastischen Transfer, wodurch das Bild einfach perfekt und glasklar erscheint. Ältere HK-Filme in dieser Qualität zu sehen ist ein Ereignis, das sich sonst nur auf die Werke John Woos beschränkt.

Außerdem gibt’s einen ungemein informativen Audiokommentar von Herman Yau und Anthony Wong, sowie ein ebenso aufschlussreiches wie lustiges, fünfzehnminütiges Interview, hauptsächlich mit Herman Yau. Anthony Wong sitzt für die ersten zwei Fragen einfach mit einer Sonnenbrille daneben und nickt, wenn Yau, in Beatles-Shirt, fertiggeredet hat, worüber er dann beim zweiten Mal lachen muss. Derartig bodenständige und sympathische Momente werdet ihr in keinem 0815-Hollywood Making-Of finden.

Abschließend bleibt nur zu sagen…logisch, dass Ebola Syndrome Geschmackssache ist. Wie bei anderen Cat III-Filmen fällt eine Bewertung nicht leicht. Ich zücke also mal ganz starke

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Eye In The Sky

Eye In The Sky
(跟蹤 | hong kong 2007 | nai-hoi yau | dvd: kam & ronson)

Die Surveillance Unit der Hong Konger Polizei hat nur eine Aufgabe: Beobachten. Selbst im Hintergrund bleiben. Nicht auffallen. Das ist Neuland für Piggy (Kate Tsui), die nun zur längst verschweißten Truppe stößt, doch mit Dog Head (Simon Yam) einen geduldigen Mentor findet. Gleich ihr erster Fall bringt sie in’s Schwitzen: Eine brutale Bande unter der Führung von Shan (Tony Leung Ka-fai) macht Hong Kong unsicher und raubt immer wieder Läden aus. Eine tödliche Jagd beginnt.

Der langjährige Johnnie To-Kollaborateur und Scriptwriter Nai-Hoi Yau legt mit Eye In The Sky sein Regiedebüt vor. Die vielen Jahre mit To haben ihn offensichtlich geprägt, denn sein Film ist sofort als Milkyway-Produktion erkennbar. Die urbane Atmosphäre, die eng zusammenarbeitende Polizeieinheit, das erinnert gar an Expect The Unexpected oder PTU (letzere Assoziation wird durch einen Gastauftritt von Maggie Siu verstärkt). Doch wo To mit plötzlichen Tempoveränderungen oder Twists aus etwaigen Genrekonventionen ausbricht, inszeniert Yau seine Katz-und-Maus-Jagd als minimalistische tour de force mit beinahe dokumentarischem Charakter, schert sich wenig um Exposition oder Charakterentwicklung. Seine Figuren bleiben gesichtslose Schachfiguren, Shins kriminelle Motivation etwa wird zu keinem Punkt aufgegriffen. Eine Beobachtung, die zunächst wertungsfrei ist; die extreme Anonymisierung mag man mit gutem Willen vielleicht auch als Kommentar auf die Natur dieser Art von Polizeiarbeit sehen.

So wirkt Eye In The Sky einerseits stellenweise wie ein auf Spielfilmlänge gestrecktes Actionsegment eines anderen, größeren Films, andererseits ist Yaus konsequent ballastfreie und rasante Regie in ihrer Geradlinigkeit durchaus bemerkenswert und erfrischend. Umgesetzt wird sie mittels wackelnder Kameraeinstellungen mitten aus den Straßen Hong Kongs. Kontrastierend dazu Bilder wie aus Überwachungskameras, die aus der Vogelperspektive Distanz zum Geschehen schaffen. Yaus Stil ist ein Gegenpol zu den detailierten Cinemascope-Kompositionen Tos – gewöhnungsbedürftig, aber in jedem Fall faszinierend.

Zu den Schauspielern braucht man eigentlich nicht viel zu sagen, da reichen die Namen. Tony Leung Ka-fai pisst Charisma. Gerade hier ist es schade, dass der Zuschauer über seinen Charakter nicht mehr erfährt. Simon Yam, leider mit etwas albernem Fake-Bierbauch, bleibt sympathisch und überraschend unscheinbar, er kann vor allem in den wenigen persönlichen Szenen mit Kate Tsui’s Charakter punkten. Jene tut eigentlich nicht viel mehr als verzweifelt in der Gegend rumzuglotzen und hübsch auszusehen – insgesamt geht’s aber in Ordnung.

Guy Zerafa, schon für die tolle Musik aus Exiled zuständig, hat auch hier wieder einen hervorragenden Score gezimmert, zwischen moderner Elektronik, saftigen Gitarrenriffs und traditionellen Instrumenten. Nur habe ich im Film keine 10 Sekunden erlebt, die ohne Musik auskamen. Das fand ich etwas zuviel des Guten. Passt immerhin zur hektischen Atmosphäre.

Wer ganz zynisch sein möchte, bezeichnet Yaus Film als Milkyway by the numbers – der Schützling Tos greift hier nicht besonders originelle Themen auf, die Schauspieler, ob gut oder nicht, sehen wir halt irgendwie immer. Zudem offenbart Yau zur Surveillancepolitik der Polizei an sich kein einziges Mal eine kritische Position, was bei einem Film wie diesem eigentlich zu erwarten wäre. Dennoch: Nai-Hoi Yau hat zwar noch einen weiten Weg zu gehen, um das Level des Maestros zu erreichen, in die richtige Richtung ist er aber schon unterwegs. Ich hoffe, dass er noch weitere Filme drehen wird. Blickt man auf das bisherige HK-Filmjahr zurück, wäre ohnehin nur zu sagen: Eye In The Sky ist die elegante Gazelle neben dem halbverwesten Elefantenleichnam eines Protégé.

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Django Kill (…If You Live, Shoot!)

Django Kill (…If You Live, Shoot!)
se sei vivo spara | italien 1967 | giulio questi | dvd: blue underground

Eine Bande amerikanischer Banditen überfällt mithilfe einiger Mexikaner einen Goldtransport. Doch anstatt das Gold mit den Mexikanern zu teilen, erschießen sie diese lieber, darunter auch den “Fremden” (Tomas Milian), wie er im weiteren Verlaufe des Filmes genannt wird. Die Amerikaner ziehen weiter in eine Stadt, in der scheinbar alle völlig krank im Kopf sind. Der Fremde hingegen wird von zwei Indianern auf wundersame Weise wiederbelebt, steigt aus seinem Grab auf und macht sich auf, Rache zu üben.

In der der BU-DVD enthaltenen (sowie höchst sehenswerten) Interview-Featurette ‘Django Tell’ bezeichnet Tomas Milian Questis Werk treffend als “cult of the cult” – und seinen notorischen Ruf als einer der abgefahrensten Italowestern überhaupt hat Django Kill (welcher natürlich nur aus Werbezwecken international den “Django”-Namen verpasst bekam) dann auch tatsächlich verdient. Questi serviert eine unvergessliche Szene nach der anderen, viele von ihnen auch höchst brutal. Allein schon die Anfangssequenz, in der Tomas Milians Charakter sich aus seinem Grab erhebt, deutet sich eine religiöse Metaphorik an, die später in einer Art Kreuzigungsszene ihren Höhepunkt findet. Dabei ist Questi nie auf plumpe Sensationsmache hinaus; zwischen schwarzem Humor und zynischem Gesellschaftskommentar bedient er eine Nische innerhalb des Genres, in der sonst nur Sergio Sollimas Westerntrilogie ihre Spuren hinterlassen hat. Dabei kommt er in Sachen Aussagekraft nie an diese heran; seine Symbolik ist dafür zu plump, der kritische Ansatz zu forciert.


Aber in einem Atemzug mit Sollima genannt zu werden, ist schon ein Lob für sich. Die Ideen, die verarbeitet werden, reichen von Sadomasochismus bis zu amüsanten homosexuellen Anspielungen. Im Subplotwirrwarr habe ich zwar nach den zwei Stunden Laufzeit nicht mehr wirklich durchgeblickt – der Fremde, natürlich äußerst intensiv und charismatisch von Milian gespielt, folgt den Amerikanern in die Stadt, tritt zunächst scheinbar der Bande Sorrows (Roberto Camardiel) bei, versucht auch noch, Evan (Ray Lovelock), dem einzigen Unschuldigen in der Stadt zu helfen, gerät dabei aber in die Schusslinie des zwielichtigen Hagerman (Francisco Sanz), der seine Frau in einem Raum eingesperrt hat und allen erzählt, sie sei geisteskrank.

Am Ende ist die ganze Stadt auf der Jagd nach dem Gold – klar – und die Art und Weise, wie sich die Stadtbewohner gegenseitig unter dem Vorwand der Gesetzesausübung auseinandernehmen, hat Questi in bitterböser Konsequenz inszeniert. So unterhält Django Kill bis zum Ende, auch wenn die surrealen Schlüsselszenen im Gesamtkontext oft wenig nachvollziehbar bleiben. Zum ganz großen Klassiker reicht es daher zwar nicht, doch Giulio Questis einziger Western ist definitiv in den oberen Rängen des Genres anzusiedeln.

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Seine Kugeln pfeifen das Todeslied

Seine Kugeln pfeifen das Todeslied
il pistolero dell’ave maria | italien 1969 | ferdinando baldi | dvd: marketing film

Rafael (Peter Martell) findet eines Tages seinen alten Jugendfreund Sebastian (Leonard Mann) auf einer Ranch wieder. Obwohl Sebastian glaubt, dass seine Mutter tot ist, erzählt ihm Rafael, dass seine Mutter in Wahrheit lebt, da sie damals seinen Vater und Rafaels Mutter ermorden ließ und nun mit dem Mörder zusammen lebt. Gemeinsam machen sie sich auf, um Rache zu üben.

Eigentlich schwer vorstellbar, dass Ferdinando Baldi hinter diesem Film steckt, denn immerhin legte er gerade einmal 2 Jahre später mit Blindman den wohl wüstesten Sleazetrip der Westerngeschichte vor. Wohl ein weiteres Indiz für die Flexibilität, die italienischen Regisseuren in den 60ern und 70ern abverlangt wurde. In Seine Kugeln pfeifen das Todeslied wurde jedoch die oft präsente moralische Ambivalenz des Genres mit einem saftigen Bissen Melodrama ausgetauscht. Wie dick hier aufgetragen wird, ist zunächst einmal gewöhnungsbedürftig; unglücklicherweise ist der ansonsten starke Score Roberto Pregadios auch häufig so platziert, dass er dem ohnehin überzeichneten Konflikt auch noch eine kräftige Kitschnote verleiht.


Was nicht heißt, dass hier auf die übliche Palette Schlägereien, Friedhofszenen, Mexican Standoffs und verprügelter Frauen verzichtet wird, im Gegenteil. Baldi inszeniert stilsicher und lässt seine Charaktere geschwind durch die ansehnlichen Sets pflügen. Etwas wirklich einzigartiges lässt der tausend mal in dieser oder jener Form durchgespielte Racheplot aber eben auch nicht zu, obwohl mehr hätte gemacht werden können – vor allem aus der Mutterfigur. Mann und Martell sind ordentlich als Protagonisten, dabei ist ihr größtes Problem die fehlende Interaktion miteinander. Ihre Beziehung bleibt bis zum Ende oberflächlich und fast schon formal, von Jugendfreundschaft ist wenig zu sehen. Ihre jeweilige Daseinsberechtigung verdienen sie sich allein durch das mehrmalige Retten des Anderen.
Auch Tomas (Alberto De Mendoza, der ein bisschen wie Michael Douglas aussieht) als fieser MILF-Liebhaber bleibt eine bloße Karikatur, der Cast ansonsten gefüllt von überflüssigen Randfiguren wie der hübschen Schwester Sebastians (Pilar Velázquez).

Nichtsdestotrotz handelt es sich bei Seine Kugeln pfeifen das Todeslied um solide Westernunterhaltung vom Reißbrett, die sicher nicht in der Liga der drei Sergios mitspielt, man sich an einem langweiligen Nachmittag jedoch ruhig mal anschauen kann.

(Hier noch der rather corny deutsche Trailer. Irgendwie haben sie früher Trailer immer total überflüssig lang gemacht?)

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